
Söhnchens Metamorphosen
22. Februar 2012Turnierbericht Berliner Meisterschaft Februar 2012
Da steht man nun im Finale der Berliner Meisterschaft, zum allerersten Mal. Der Gegner ist mehrfacher Berliner Meister und gerade erst wieder Vizemeister geworden. Man ist nervös, aufgeregt. Und fühlt sich nicht unbedingt als Favorit. Los geht’s:
Es geht gut los: Im ersten Spiel schlägt man Stein um Stein, irgendwann stehen 4 Checker hinter der eigenen Fünfpunkt-Prime. Man könnte auf Gammon weiterspielen, aber in der ersten Partie ist man auch froh, in Führung gehen zu können: 1:0.
Aber dann bereut man schnell, nicht auf Gammon weitergespielt zu haben, denn anschließend verliert man eine Partie nach der anderen:
Partie 2: Ein offfenes Spiel gegen ein Haltespiel. Aber innerhalb von drei eigenen Zügen muss man einen Schuss geben, wird getroffen, tanzt, sieht sich dann einem closed board gegenüber, stürzt von knapp 60% auf unter 10% ab und verliert Gammon: 1:2.
Partie 3: Wieder beginnt es nicht schlecht: Von Anfang an ist man leichter Favorit und zwingt den Vizemeister erneut in ein Holding Game, wieder vom 21-Punkt. Kurz hat man mehr als 60% Gewinnchance, doch dann der Konter mit einem Pasch-5, im Bearoff noch ein Pasch-6, und auch diese Partie ist weg: 1:4.
Partie 4: Bisher haben beide Spieler weitgehend fehlerfrei gespielt. Aber hier macht der Underdog seinen ersten Blunder: Früh in der Defensive, wird er gedoppelt. Vielleicht schon leicht genervt, vielleicht auch aus Angst vor einem Gammon, lehnt er ab. Aber ein Anker auf dem 21-Punkt und knapp 25% Gewinnchance hätten reichlich für ein Take gereicht: 1:5.
Wie hättet ihr in dieser Situation entschieden?
Auch im Moneygame ist das ein recht klares Take. Vor allem wegen des Blots, der nicht so einfach in Sicherheit gebracht werden kann. Setzt man ihn aber um ein Feld weiter nach vorn (und erhöht so die Chancen, ihn in Sicherheit zu bringen) wird diese Position im Moneygame zum Pass. Setzt man ihn noch ein Feld weiter nach vorn auf den 14-Punkt, wird die Position auch bei diesem Matchscore zum klaren Pass und die Annahme zum Blunder. Man sieht, um welche Feinheiten es oft geht.
Wie auch immer: So ähnlich geht es weiter, frustrierend für den Einen, erfreulich für den Anderen:
Partie 5: Der Herausforderer spielt gut, diesmal besser als sein Gegner. Aber wieder steht er bald auf verlorenem Posten hinter einer Sechspunkt-Prime und muss die Verdopplung ablehnen: 1:6.
Partie 6: Der Höhe- oder Tiefpunkt, je nach Perspektive. Gefühlt. Man doppelt früh und kommt bald in eine Gewinnposition. Eine starke Prime gegen drei gegnerische Checker. Beim Beginn des Bearoffs hat der Gegner noch einen tiefen Anker und gewinnt nur noch ca. 20%, verliert aber ca. 30% Gammons.
Doch dazu kommt es nicht: Man muss drei Schüsse in Folge lassen und den dritten trifft der Favorit. Bald danach ist das gegnerische Homeboard wieder geschlossen und der Gegner muss nur deshalb nicht den Verdopplungswürfel drehen, weil er bei hoher eigener Führung fast immer zuviel riskieren würde. Auch diese Partie geht also verloren: 1:8.
Wie hoch mögen die Chancen bei 1:8 auf 9 Punkte noch sein, dieses Finale noch zu gewinnen? Mathematisch nicht mehr hoch. Die Matchequtitytabellen nennen Werte zwischen 6% und 7%. Und hat man nach so vielen Frustrationen überhaupt noch die Kraft zur Wende, die Energie zu einem solchen Kraftakt? Der Pessimist zweifelt, verzweifelt vielleicht…
Rückblick zum Turnierbeginn.
Willkommen zur Berliner Meisterschaft 2012!
Saisonauftakt der Berliner Meisterschaft! 22 Teilnehmer bilden ein ziemlich hochkarätiges Feld: Unter den 22 sind die kompletten Top Ten des letzten Jahres. Dazu mit Henning Frick ein alter Bekannter, dessen Qualitäten bekannt sind und der fast 2000 km aus Malta angereist ist.
Dazu passt, dass 17 der 22 Teilnehmer Full Entry spielen. Zu den Neuerungen dieses Jahres gehört, dass alle Startgelder direkt ausgeschüttet werden. Das letztmalige Added, dass noch aus dem Jahresendturnier resultiert, sorgt dafür, dass der Preipool sozusagen auf der Grundlage von 27 Teilnehmern berechnet wird; und durch die vielen Vollzahler entsteht der größte Pott eines normalen Monatsturnieres der letzten Jahre. Eine interessante Frage ist, ob der neue Modus, dass Halbzahler nicht mehr nur die Hälfte des Preisgeldes bekommen, sondern ihren Anteil gemessen an der Anzahl der Teilnehmer, zum Tragen kommt. Schafft es einer oder mehr von den fünf Half Entries ins Geld?
Henning ist auch nicht der einzige auswärtige Teilnehmer. Hans Schwichow etwa kommt quer durchs Land aus Essen nach Berlin. Und mit Rochus Wegener hat auch der Sieger des Amateurturniers im Januar beschlossen, sich eine Etage höher zu erproben und zu beweisen.
Alle Teilnehmer sind wohl ebenso mit gespannten Erwartungen erschienen wie die Turnierleitung: Ein neuer Modus mit nur noch 4 Runden in der Vorrunde, von denen die ersten drei zu Turnierbeginn frei ausgelost wurden, will an der Realität erprobt werden.
Vorrunde: Henning und Ralf souverän
In der Vorrunde sind es Henning Frick und Ralf Sudbrak, die alle 4 Vorrundenmatches gewinnen und sich souverän für das Viertelfinale um den Turniersieg qualifizieren.
Dazu kommen mit Matthias Strumpf und Hamid Akbari zwei Platzhirsche aus den Top Ten des letzten Jahres. Igor B war zuletzt Runner Up beim Weihnachtsturnier des Café Graffiti, des ehemaligen Spiellokals vieler Berliner Spieler. Und mit Tilman Söhnchen und Thomas Krüger qualifizieren sich zwei noch relativ neue, unerfahrene Spieler, die sich aber zuletzt etabliert und auf sich aufmerksam gemacht haben, für die Finalrunde.
Sie alle haben drei Siege nach vier Runden. Ein erstes Fazit des neuen Modus‘ ist, dass 3 Siege aus 4 Matches eine gute Grundlage zu bilden scheinen, um die Finalrunde zu erreichen.
Für Rochus Wegener hängen die Trauben noch ein wenig zu hoch. Aber er hat auch keine leichte Auslosung erwischt – immerhin drei seiner vier Vorrundengegner qualifizieren sich auch für das Viertelfinale der Finalrunde.
Mit einer Niederlage beginnt das Turnier für den Berliner Meister Christian Plenz: Igor B ist der erste, aber nicht der letzte Turnierteilnehmer, der sich den Skalp des Berliner Meisters anheften kann: Julian Becker und Hartmut Schuler sind die beiden anderen, und alle zeigen, dass dem Titelverteidiger das Leben schwer gemacht werden wird im Jahr 2012.
Während Hartmut aber ähnlich wie Christian auf den hinteren Plätzen hängen bleibt, hat Julian noch eine Chance:
Einpunktmatches um einen Finalrundenplatz
Denn auch mit 2 Siegen hat man eventuell noch Chancen auf die Finalrunde: 7 Spieler bewerben sich diesmal um einen noch offenen freien Platz im Viertelfinale.
Denn eine weitere Neuerung ab diesem Jahr ist, dass bei Punktgleichheit um Platz 8 herum nicht mehr die Buchholzwertung direkt über den Finalrundeneinzug entscheidet, sondern jeder der punktgleichen Spieler die Chance haben soll, sich durch eine Runde von Onepointern noch in die Finalrunde um den Turniersieg zu kämpfen.
Eng und spannend geht es zwischen den Teilnehmern am Stechen zu: 7 Spieler, das bedeutet, dass einer in der ersten Runde ein Freilos hat.
Ein Exkurs in die Turnierregeln: Zunächst wird geprüft, ob jemand der in Frage kommenden Teilnehmer schon ein Freilos hatte.
Da eine gerade Anzahl von Teilnehmern das Turnier aufgenommen hatte und erfreulicherweise auch alle ihre Vorrundenmatches gespielt haben, gab es in der Vorrunde keine Freilose, sodass für das zu vergebende Freilos immer noch alle 7 Teilnehmer in Frage kommen und anschließend nach Buchholzpunkten (mit einem Streichergebnis) geschaut werden muss.
Hierbei herrscht bei 5 von 7 Spielern Gleichstand. Ist das der Fall, wird festgestellt, wie der direkte Vergleich der an der Stechrunde beteiligten Spieler untereinander ausgefallen ist.
Zwei von den verbleibenden Spielern haben dort eine positive Bilanz, sodass schlussendlich das Los entscheiden muss, ob Julian Becker oder Jan Jacobowitz das Freilos erhalten würde. Das Los Freilos geht somit an Julian.
Durch einen Sieg gegen Thomas Koch erreicht er das Finale des Stechens, um dort aber Klaus Klein zu unterliegen. Klaus ist in der Finalrunde.
Second Chance: Helmut Kraussers dritte Chance
Thomas Koch und Helmut Krausser waren beide im Halbfinale der Stechrunde knapp vor Erreichen der Finalrunde noch abgefangen worden. Dass beide allerdings einen guten Tag erwischt haben und ihr Weg noch nicht zu Ende ist, zeigt sich in der Second Chance.
Wer in der Stechrunde für die Finalrunde nicht erfolgreich ist, kann einen weiteren Anlauf machen: Wer nach Ausscheiden in der Stechrunde für die Finalrunde noch motiviert ist, seine dritte Chance in Angriff zu nehmen, ist – im Gegensatz zu den weniger erfolgreichen Teilnehmern der Vorrunde – für die Runde der letzten 16 der Second Chance bereits qualifiziert. Zumindest diesmal ist sogar absehbar, dass es für Helmut und Thomas wie für die meisten anderen gescheiterten Stechrundenteilnehmer direkt ins Viertelfinale der Second Chance gehen würde.
Auch die Second Chance beginnt mit Onepointern der punktschwächsten und trotzdem noch motivierten und spielfreudigen Spieler nach der Vorrunde; diesmal sind es zwei Runden, bevor insgesamt acht Spieler feststehen, die den Sieg in der Second Chance und einen Geldplatz ausspielen.
Im Viertelfinale der Second Chance setzen sich Helmut gegen Dankwart Plattner und Igor Kaplanski gegen Hans Schwichow durch, der zuvor für Rochus Wegener das Turnier beendet hatte. Thomas Koch kann sich für seine Niederlage im Finalrundenstechen gegen Julian Becker revanchieren. Und einen besonderen Reiz hat das Match zwischen dem aktuellen Berliner Meister und dem Titelverteidiger vom Jahresendturnier: Christian Plenz gewinnt dabei gegen Jan Jacobowitz, um allerdings anschließend im Halbfinale gegen Thomas Koch den Kürzeren zu ziehen.
Im Gleichschritt bewegen sich die Finalisten durch das Turnier, durch die Second Chance und zunächst auch im Finale: Thomas trifft auf Helmut Krausser. Beide hatten in der Vorrunde 2 von 4 Matches gewonnen. Beide waren im Halbfinale der Stechrunde um den letzten Finalrundenplatz gescheitert. Und nachdem sie sich schon in der allerersten Runde des Turniers begegnet waren – Sieger damals Helmut Krausser – kreuzt sich ihr Weg in ihrem letzten Match erneut und Thomas erhält die Chance zur Revanche: Helmut geht immer wieder in Führung – 1:0… 3:1… 5:3… – und immer wieder gleicht Thomas aus. So kommt es bei 5:5 zu Double Match Point. Und als Helmut wieder gewinnt, kann Thomas nicht mehr kontern. Helmut Krausser gewinnt die erste Second Chance des Jahres 2012. Herzlichen Glückwunsch!
Finalrunde: Zum Unterschied zwischen einem Achtel und einem Zwölftel.
Die Viertelfinals der Finalrunde beginnen früher als sonst – das erste bereits gegen 19.20 Uhr. Hier setzen die beiden Berliner Vizemeister 2011 ein Ausrufungszeichen: Matthias Strumpf gewinnt gegen Igor B und Klaus Klein setzt sich um Haaresbreite im DMP gegen Thomas Krüger durch. Ähnlich knapp geht es im dritten Viertelfinale zu: Tilman Söhnchens immer wieder vergeblichen Versuchen die Finalrunde zu erreichen, haben sich nicht nur wie ein roter Faden durch das Turnierjahr 2011 gezogen, sondern auch seinen Ehrgeiz angestachelt: Zum einen hat er immer neue Möglichkeiten gefunden, seine Turniermatches aufzuzeichnen. Auf diesem Turnier filmt er sie mit einer Webcam und wertet sie anschließend aus.

Aufzeichnungen zu Dice und Cubes: Wie Tilman (hinten) hat auch Thomas Koch seine eigene Apparatur zur Matchaufzeichnung dabei.
Zum anderen hat Tilman sein Spiel in kurzer Zeit offensichtlich deutlich verbessert und ist zu einer ernsthaften Konkurrenz geworden. Das bekommt nun auch der etablierte Ralf Sudbrak zu spüren, auch wenn das Match hart umkämpft ist: Mehrmals wechselt die Führung, am Ende behält Tilman knapp die Oberhand und gewinnt sein erstes KO-Spiel in der Finalrunde. Schließlich erreicht auch Henning Frick das Halbfinale durch einen glatten Sieg gegen Hamid Akbari.
Dennoch Kompliment an Thomas Krüger, Igor B, Ralf Sudbrak und Hamid Akbari, der 2011 die meisten Finalrundenteilnahmen vorweisen konnte, und dessen Serie sich fortzusetzen scheint.
Vergleichsweise klare Angelegenheiten sind dann die beiden Halbfinals: Henning Frick muss viermal die Initialverdopplung von Matthias Strumpf passen und liegt schon 0:4 zurück, als er sich in einer kurzen Spielpause noch einmal Mut macht. Er kann dann zwar nochmal einen Punkt machen, aber anschließend verliert er ein gedoppeltes Gammon – Matthias steht im Finale.

Matthias oder Henning: Wer genau hinsieht, kann schon erahnen, wer gleich das Halbfinale der beiden gewinnen wird...
Im anderen Halbfinale zieht Tilman Söhnchen gegen Klaus Klein auf 5:2 davon und im anschließenden Game braucht Klaus in seinem letzten Wurf mindestens einen Pasch-4 um dem Ausscheiden noch von der Schippe zu springen.
Im Stechen um einen Finalrundenplatz hatte Klaus drei Runden gewinnen müssen, um die Finalrunde zu erreichen und seine Chance von mathematisch einem Achtel genutzt. Diesmal ist die Aufgabe noch schwieriger: Ein Zwölftel. Und diesmal schafft Klaus es nicht, dieses Zwölftel zu realisieren. Dennoch: Klaus setzt eine andere Erfolgsserie fort: 2011 hatte er immer dann, wenn er die Finalrunde erreicht hatte, das Viertelfinale überstanden und einen Geldplatz belegt – das bleibt auch diesmal so. Kompliment und Glückwunsch an Klaus und Henning für den geteilten 3. Turnierplatz!
Das Finale wird die hochinteressante Begegnung eines alten Hasen (nur was die Erfahrung betrifft) gegen einen Frischling (ebenfalls nur was die Erfahrung betrifft). Der mehrfache Berliner Meister und aktuelle Berliner Vizemeister Matthias Strumpf gegen Tilman Söhnchen, der erst beim Jahresendturnier zum ersten Mal überhaupt die Finalrunde um den Turniersieg erreicht hatte und dort bis zu diesem Turnier noch kein Match gewonnen hatte. Ein spannender Vergleich, der zunächst so auszugehen scheint, wie man es zumindest dann erwartet hätte, wenn man nur nach der Spielerfahrung gegangen wäre…
Eins zu acht…
…auf 9 Punkte… Kurz nach Beginn der Crawford-Partie sinken Tilmans Chancen nochmals. Ein kleiner Blunder, gefolgt von einem Pasch-2, mit dem Matthias einen Stein schlagen und einen Punkt im Board machen kann – nur noch 5,1%…
Ein Match auf hohem Niveau, trotz des ungleichen Spielstands: Der Berliner Vizemeister Matthias Strumpf hat bisher ein eines Meisters (und eines Vizemeisters ohnehin) würdiges Performance Rating von 3,4 aufs Brett gelegt, Tilman steht ihm mit einem PR von 4,7 aber nur wenig nach.
Der Optimist kann sich nun vielleicht entspannen, hat jetzt nichts mehr zu verlieren und rechnet: Nur 5 Partien muss ich noch gewinnen (vielleicht weniger, wenn ein Gammon dabei ist). Beim Poker gibt es einen Satz, mit dem sich Spieler, die eigentlich keine Chance mehr haben, Mut zusprechen: A chip and a chair – solange es nicht vorbei ist, ist noch alles drin.
Weiter im Crawford-Game, in dem Tilman nicht verdoppeln darf: Matthias spielt so gut wie perfekt. Aber Tilman hält mit dem Mut der Verzweiflung dagegen und scheut auch extrem riskantes Spiel nicht. Er kann frühzeitig zwei Steine von Matthias verhaften, der tanzt auf einem Zweipunktboard, auf einem Dreipunktboard, auf einem Vierpunktboard, schließlich auf einem Fünfpunktboard, dann Closed Board. Beim Bearoff muss Tilman einen Schuss lassen, als der nicht getroffen wird, gewinnt Tilman Gammon und statt eines Punkts derer zwei: 3:8 und jetzt knapp 20% Chance auf den Sieg.
Das bedeutet, dass Tilman ein Spiel weniger gewinnen muss und dass Matthias ab jetzt jedes Mal (falls er annimmt und verliert) einen Free Drop haben wird, also entscheiden muss, ob er nach der obligatorischen Verdopplung annehmen oder ablehnen sollte. Und einige Positionen sind knapp und schwierig zu beurteilen.
Partie 8: Matthias eröffnet mit 51. Kein guter Wurf, aber dennoch rechtfertigt der Anfangswurf immer ein Take nach der automatischen Verdopplung. Tilman kommt schnell in Vorteil, kann drei gegnerische Steine auf seinem Acepoint einschließen und ist drauf und dran, Gammon und 4 Punkte zu gewinnen, als er mit nur noch 4 nicht ausgespielten Steinen doch noch einen Schuss lassen muss und getroffen wird. Er wird zwar nun selbst ausgeschlossen, aber er hat 11 Steine ausgespielt und gewinnt immerhin die Partie – 5:8. Jetzt sind Tilmans Chancen schon bei gut 30%, das Match und das Turnier zu gewinnen. Wird es doch noch einmal eng?
Partie 9: Nun beginnt Tilman mit dem unguten Wurf 51, Matthias lässt eine 53 folgen. Tilman doppelt, die Annahme von Matthias ist fraglich, er überlegt. Meistens muss man theoretisch ablehnen wenn man nicht selbst eröffnet hat oder mit einem sehr guten Wurf, zum Beispiel einem Pasch, geantwortet hat. Aber 53 ist ein guter Wurf, macht einen Punkt im Homeboard. Take. Theoretisch scheint es dennoch ein ganz knappes Pass zu sein (0,017 nach Rollout).
Wieder läuft es anschließend gut für Tilman, bald hat er den goldenen Punkt im eigenen und den goldenen Anker im gegnerischen Board gemacht. Matthias kann mit einem Backchecker entkommen, der andere wird geschlagen und lang genug aufgehalten, dass Tilman seinen Rennvorsprung ausbauen und mit einem Pasch-5 das Rennen entscheiden kann – 7:8. Die Chancen auf den Sieg bei der Berliner Meisterschaft im Februar 2012 sind praktisch ausgeglichen!
Partie 10: die match- und turnierentscheidende Partie wenn Matthias nicht den Free Drop nimmt und die Entscheidung ins nächste Game schiebt. Tilman eröffnet mit 43, Matthias kann mit seiner Entgegnung 42 wieder einen Punkt im Board machen, diesmal sogar den etwas besseren Punkt. Tilman doppelt und Matthias überlegt länger: Rechtfertigt sein guter Wurf ein Take, obwohl sein Gegner begonnen hat?!
Matthias entscheidet sich wieder für ein Take, die Analyse offenbart einen knappen Fehler (0,029 nach Rollout). Tilmans Anszugsvorteil mit vielen Optionen auf einen offensiven Heimfeldpunkt scheint zu groß zu sein, um Matthias nach dessen guter Entgegnung ein Take zu geben. Aber auch diesmal ist es knapp und, egal was die Computer sagen, wohl auch ein bisschen Stil- und Geschmacksfrage.
Wieder beiderseits hohes Spielniveau, vor allem Tilman spielt diesmal praktisch fehlerfrei, gute Würfe kommen ihm zusätzlich entgegen, sodass er schon mit dem sechsten Wurf die Sechspunkt-Prime machen kann. Aber noch hat er seine beiden Backchecker hinten stehen und Matthias versucht alles, ihr Entkommen zu verhindern. Aber sein Barpunkt bleibt offen und über diesen kann Tilman erst mit einem und kurze Zeit später mit dem anderen Backchecker entwischen, während seine eigene Prime hält. Das Machen der Sechspunktprime, das Entkommen des ersten Checkers und im übernächsten Wurf des zweiten Checkers lassen seine Chancen innerhalb von vier Würfen von knapp 60% auf über 90% steigen. Wofür sich Matthias fünf Partien mühen musste – das gelingt Tilman in vier Zügen.
Tilman muss diesmal keinen Schuss mehr im Bearoff geben, die Partie und das Match ist entschieden – Tilman hat nicht nur ein großes Kaliber des Berliner Backgammon besiegt, nicht nur seine ersten Matches in der Finalrunde der Berliner Meisterschaft gewonnen und das erste Mal das Finale erreicht. Sondern er überspringt diese Hürde gleich im ersten Versuch und gewinnt damit die Berliner Meisterschaft im Februar 2012!
Und Tilman hat dabei eine denkwürdige Wende geschafft: Die Graphik des Matchverlaufs zeigt die Achterbahnfahrt, in der sich beide Spieler gefühlt haben müssen. Und sie zeigt, wie gering Tilmans Chancen zwischenzeitlich waren:
Herzlichen Glückwunsch für den Turniersieg an Tilman Söhnchen und großes Kompliment an ihn und Matthias Strumpf für ein denkwürdiges Match und beiderseits sehr gute und auch sehr konstant gute Leistungen!
Die Software Exteme Gammon attestiert beiden Spielern „world class“-Niveau, Matthias ein PR von 3,88, Tilman kaum schwächer mit 4,46. Die Matchfiles im .mat Format und, analysiert und teilweise ausgerollt, als XG Datei sind auf unserer Website im Matcharchiv zu finden und wirklich empfehlenswert.
Einige Kiebitze haben im ersten Reflex gemutmaßt, dass das Spiel relativ einfach war, insbesondere dadurch, dass es nach der Hälfte des Matches keine echten Cubes mehr gab. Aber das Performance Rating war von Anfang an konstant gut und bei Durchsicht des Matches kann man feststellen: Sowohl bei den Cube-Entscheidungen (auch den späten), erst recht aber beim Checkerplay tauchten einige knifflige Situationen auf und waren schwierige Positionen zu bewältigen – und sehr oft haben beide Spieler Lösungen gefunden, die unklar waren und dem Computer gefallen haben.
Ranglisten
Die Jahreswertung der Berliner Meisterschaft 2012 sieht nach nur einem Turnier natürlich die Spieler vorn, die auch das erste Turnier bestimmt haben: Es führt Tilman Söhnchen mit 48 Punkten. 10-15 Punkte dahinter eine Gruppe mit den Turnierplazierten, dem Finalisten Matthias Strumpf, dem Halbfinalisten Henning Frick sowie dem Sieger der Second Chance Helmut Krausser.
Knapp dahinter finden wir den anderen Halbfinalisten Klaus Klein sowie Ralf Sudbrak, der wie Henning eine hervorragende Vorrunde gespielt hat, und Thomas Koch, den Finalisten der Second Chance. Der Berliner Meister 2011 hat einmal mehr solide gepunktet und keinen Totalabsturz erlebt, obwohl das Turnier unglücklich verlief. Christian Plenz befindet sich mit 17 Punkten im Mittelfeld.
In der ELO-Rangliste hat Tilman Söhnchen sich natürlich stark verbessert und 30 Punkte gutgemacht. Matthias Strumpf hat auf Platz 7 seine ELO-Zahl (1631) von deutlich über 1600 gefestigt – eine Marke, die insgesamt nur elf, darunter neun zuletzt aktive Spieler erreichen.
Interessantes Detail am Rande: Wenn man einen Spieler mit Matthias‘ Elozahl (1631) gegen einen durchschnittlichen Spieler mit ELO 1500 in der Theorie antreten lässt, sollte Matthias laut dieser Theorie ca. 59% seiner Matches gewinnen. Und im Jahre 2011 hat Matthias tatsächlich 58,1% seiner Matches gewonnen (siehe hier). Diesmal lag das Teilnehmerfeld im Schnitt über 1500 und speziell Tilman ist in der ELO-Liste mit momentan 1479 Punkten bestimmt noch unterbewertet, was das Finale auch deutlich gezeigt hat. Möglicherweise ist Matthias‘ True Rating auch höher, aber bei mehr als 1400 Experiencepunkten ist anhand der Matchstatistik 2011 schon eine gewisse Annäherung zwischen Elozahl und unbekannter Wirklichkeit klar zu erkennen.
Auch Helmut Krausser, Ralf Sudbrak, Klaus Klein und vor allem Henning Frick haben Punkte und Plätze in der ewigen Berliner ELO-Liste gutgemacht.

Nach seinem 3. Turnierplatz steht Henning Frick nicht nur in der Kälte, sondern nun auch auf Platz 4 der Berliner ELO-Liste.
Henning war in der alten ELO-Liste bisher auf dem 12. Platz. Durch sein erfolgreiches Turnier hat er nicht nur fast 50 Punkte gutgemacht, sondern ist mit nun 1644 Punkten bereits auf Platz 4 in der aktuellen ewigen Berliner ELO-Liste geklettert, die weniger Spieler enthält als bisher (neue Vorraussetzung: mindestens 100 Experiencepunkte und eine Aktivität seit 2010).
Natürlich werden auch alle inaktiven Spieler weitergeführt, und zwar in einer weiteren, alpabetisch geordneten ELO-Liste, die alle Spieler umfasst, unabhängig von ihrer letzten Turnierteilnahme in Berlin und von ihrem Experience-Rating. Sie ist hier zu finden.
Ausblick
Das war das Februarturnier der Berliner Meisterschaft 2011.
Von den fünf Halbzahlern hat es am Ende keiner auf einen dotierten Platz geschafft, alle fünf Preisgeldplätze wurden von Vollzahlern belegt. Aber das war auch schon anders und wird wohl auch wieder anders sein.
Wir hoffen, dass es den Teilnehmern und auch den wie immer recht zahlreichen Kiebitzen ebenfalls gefallen hat, und dass es so weitergeht.
Es war aus unserer Sicht ein sehr interessantes und lebendiges Turnier in angenehmer Atmosphäre und mit einem weitgehend reibungslosen Ablauf, wofür wir allen Teilnehmern und Kiebitzen herzlich danken!
Unsere herzliche Gratulation gilt allen Preisträgern, vor allem natürlich dem Sieger Tilman Söhnchen!
In diesem Sinne freuen wir uns jetzt schon auf die Berliner Meisterschaft im März, die am 10. 3. 2012 über die Bühne und die Bretter, die die (Backgammon-)Welt bedeuten, gehen wird.
Herzliche Grüße
Daniel Kotrc und Christian Plenz
Finalrunde:
1. Tilman Söhnchen
2. Matthias Strumpf
3. Henning Frick und Klaus Klein
Second Chance:
1. Helmut Krausser
Ein statistischer Überblick über die Ergebnisse der Vorrunde, der Second Chance und der Finalrunde, jeweils ab dem Viertelfinale, ist hier zu finden.