
Erfahrungsbericht vom Turniersieger Bernhard Kaiser
23. November 2012Natürlich fällt es leicht, als Sieger positiv über ein Turnier zu berichten. Aber ich schwöre, es hätte mir (fast) genauso gut gefallen, wenn ich, wie um ein Haar geschehen, in der Vorrunde rausgeflogen wäre.
Dafür gibt es im Wesentlichen 4 gute Gründe –:
1, Die Stadt
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich als Hannoveraner noch nie in meinem Leben in Berlin war (von einem Eintagesturnier im Vorjahr und ein paar Stunden Zug-Umsteigezeit mal abgesehen.) Umso mehr habe ich es genossen, den späten Starttermin am Sonntag (15:00) ausnutzen und ein paar Stunden durch Kreuzberg und die Innenstadt schlendern zu können Zudem ist die Zugverbindung von Hannover aus prima; von der Haustür bis zum Spiellokal brauche ich gerade mal 2 Stunden, und es fährt am Sonntag sogar ein ICE nach Mitternacht wieder zurück.
2. Der Modus
Der von Christian Plenz und Daniel Kotrc ausgetüftelte Turnier-Modus, nach dem in Berlin gespielt wird, ist einzigartig! Zunächst werden einige Runden gespielt auf 5 oder 7 Punkte (die ersten werden gelost, die letzten nach Schweizer System bestimmt, um Wettbewerbs-verzerrung zu vermeiden). Dann qualifizieren sich die 8 Besten aus der Vorrunde für die Viertelfinals, die nächsten 8 für die Consolation.
Da hier natürlich in der Regel einige Punktgleiche um Platz 8 herum landen, gibt es unter diesen nach der Vorrunde ein Onepointer-Miniturnier um die freien Plätze für die KO Runde. Eventuelle Freilose in diesem Miniturnier werden nach der aus dem Schach bekannten Buchholzwertung vergeben. (Diese Wertung ist natürlich im Backgammon nur sehr bedingt aussagekräftig, aber immer noch besser als Losen!)
Danach geht’s weiter im KO Modus mit immer höherer Punktzahl.
In meinen Augen ist diese System sensationell gut. Jeder Spieler hat mindestens 6 (!) Matches (in den Eintagesturnieren immerhin 5), und man kann selbst nach einem Fehlstart von zwei Niederlagen noch das Turnier gewinnen. Zudem sind mehrere kürzere Matches sowieso spannender als ein langes.
Einziger Verbesserungsvorschlag: Wenn eine Runde beim Miniturnier ausreicht (also mehr als die Hälfte freie Plätze für die Punktgleichen vorhanden sind), fände ich 3 Punkt Matches besser geeignet.
Die während des Turniers von Einigen geäußerte teils sehr heftige Kritik an dem System kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Natürlich ist es recht kompliziert. Umso mehr, da zusätzlich – um die Aufteilung in mehrere Klassen zu vermeiden – die Möglichkeit besteht, nur einen halben Einsatz zu entrichten, was die Auszahlungsmodalitäten erschwert.
Aber: es ist alles exakt festgelegt und geregelt. Niemand wird a priori benachteiligt. Für mich ist das mit der beste Modus, nach dem ich je ein Turnier gespielt habe. Gerade auch die garantierten 6 Matches haben mir die Teilnahme schmackhaft gemacht. Wer fährt schon gerne 300 Kilomenter, um nach einem Match schon draußen zu sein …
3. Die Uhren
In Berlin wird mit Uhrenpflicht gespielt. Die Zeit ist mit 12 Sekunden pro Zug plus 2fache Matchlänge in Minuten ganz schön knapp bemessen!! Für mich als berüchtigten Langsamspieler eigentlich eher hinderlich … Aber: .Es macht Spaß! In fast jedem Match war ich über kurz oder lang in Zeitnot , was mir aber irgendwie auch einen zusätzlichen „Kick“ verschafft hat Zudem muss es einem auch nicht peinlich sein, wenn man wirklich mal länger „reinglotzt“; schließlich läuft ja die eigene Zeit … Und: Der Turnierzeitplan wird dadurch besser planbar!
4. Die Spieler
Ein Backgammonturnier ist ja immer ein kleiner „Mikrokosmos“. Aber Berlin toppt das Ganze noch mal. Trotz der überschaubaren Teilnehmerzahl findet man hier Charaktere, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Jeder Einzelne ist irgendwie ein echter „Typ“. Gemeinsam ist allen aber der Ehrgeiz beim Spiel!
Das führt dann schon mal zu hitzigen Diskussionen und Streitigkeiten, die ein bisschen über das normale Maß hinausgehen; der Turnierleiter konnte einem mitunter schon etwas leid tun Vielleicht hatte die angespannte Stimmung aber auch mit der Anwesenheit eines Filmteams zu tun, welches das Turnier für einen Dokumentarfilm begleitete.
Eines kann man jedenfalls nicht behaupten: Dass es langweilig war
Ich komme in jedem Fall wieder, schon aufgrund des hohen Spaßfaktors! Obwohl man mir schon Geld fürs Fernbleiben angeboten hat…. Oder war das etwa nur ein Scherz ??
Bis bald!!
Bernd Kaiser